2. Sinfoniekonzert des Barlach-Orchesters mit John Cages Stille-Stück „4'33“
In den Kieler Nachrichten am Montag, dem 14.03.2022:
KIEL. Man muss kein „Querdenker“ sein, um die seit zwei Jahren in Schüben verlaufenden Pandemie-Einschränkungen als Lebensbremse zu empfinden, so lebenswichtig sie waren. Geradezu existenziell galt das für Kinder und Jugendliche, ob nun in Sportmannschaften oder Musikensembles: Die Möglichkeit, sich in prägenden Lebensphasen neuen Aufgaben zu stellen, Erfahrungen bei Wettkämpfen und Auftritten zu gewinnen, ist dahin und nicht restlos aufzuholen.
Davon kann auch das Sinfonieorchester am Ernst-Barlach-Gymnasium Kiel ein Lied singen. Kurz nach dem 1. Sinfoniekonzert im November 2021 galt wieder Aktions-Stopp. Den hat das Orchester mit seinem Leiter Alexander Mottok erfindungsreich überbrückt, wie das 2. Sinfoniekonzert am Sonnabend in der Petruskirche Kiel-Wik demonstrierte. John Cages Stück „4'33“ - genau genommen ein Un-Stück, weil eben nicht gespielt werden soll - hatte man in der Zwangspause im „playing@home-Format“ aufgenommen und auf Youtube gestellt. Zu Beginn des Konzertes symbolisierte seine Live-Wiedergabe die Zwangsstille, aus der man kam. Dank Mottoks sparsam konsequenter Zeichengebung für die kleinen Nicht-Aktions-Wechsel gelang eine Wiedergabe, die vom Publikum - überwiegend offenbar gut instruierten Eltern - mucksmäuschenstill aufgenommen wurde. Dass sie 17 Sekunden zu lange dauerte, lag wohl an den kleinen Pau sen zwischen den Abschnitten reiner Nicht-Spiel-Zeit.
Anschließend boten die Streicher in Edvard Griegs „Holberg-Suite" eine vitale, spannungsvolle und in den Verzierungen fein ziselierte Wiedergabe, bei der kleine Unschärfen (kein Wunder angesichts halbierter Probenzeit!) nicht ins Gewicht fielen. Vergleichbar eindrucksvoll gelang Claude Debussys „Suite Bergamasque“ in Mottoks farbkräftiger Bearbeitung für Blasorchester, Schlagwerk und Harfe. Wie schon beim Grieg bestaunte man, wie kleine Tempowechsel vom Orchester sofort umgesetzt wurden. Mottoks Dirigiergestik lässt den Spielenden aber auch keine andere Wahl, als ihr Bestes zu geben.
Das galt ebenso für Modest Mussorgskys "Eine Nacht auf dem kahlen Berge", bei dem das vereinigte Orchester Streicherfeuer, Holzbläsergeschmeidigkeit, Blechbläserwucht und Schlagzeugdrive zur packenden Wiedergabe verband. Langer, bewundernder Applaus führte zu einer Frühlingszugabe - Heinz Laus „Singt ein Vogel” in hübscher Orchesterfassung.
von Michael Struck