KIEL. Im proppevollen Schloss Foyer summt es wie im Bienenstock. Eltern und noch Ältere umarmen sich, manche in Konzert-, viele im Publikums-Outfit. Jugendliche und noch Jüngere flitzen umher. Spannung liegt in der Luft. Im Saal selbst strömt ein ausgesprochen großes Jugendorchester aufs Podium, durchsetzt mit einigen Älteren. Und dann beginnt das große, intensiv bejubelte Jubiläumskonzert zum 50-jährigen Bestehen des „Sinfonieorchesters am Ernst-Barlach-Gymnasium“. Es eröffnet mit Leonard Bernstein Ouvertüre zu Candide, einen schwungvollen, rhythmisch vertrackten, melodisch unwiderstehlichen Stück. Unter Leitung seines seit 2016 amtierenden Chefs Alexander Mottok llegen die Musiker eine Aufführung hin, die Ohren und Herzen gleich aufwärmt mit hellwachem Tutti-Gefüge und selbstbewussten Soli. Da weiß jeder, was der andere tut und der Dirigent will – und welche Aufgabe sein Instrument im Gefüge des Ganzen hat. Es ist an diesem „besonderen Abend“, wie Schulleiter Christian Stegmann zur Begrüßung sowie die Grußworte von Alexander Kraft (Kulturministerium) und Stadtpräsident Hans-Werner Tovar betonen, neben dem musikalischen Gewinn auch etwas, was man fürs Leben lernen kann, genauer gesagt: fürs Miteinander in Familie, Beruf und in einer demokratischen Gesellschaft.
50 Jahre besteht das Orchester, getragen von einem Freundesverein, ohne dessen Engagement nichts ginge. Immer wieder muss sich dieses Orchester neu (er)finden und zu einem ganzen werden, immer ist es auf dem Weg und gerade deshalb von enormer Lebendigkeit. So ist es geradezu programmatisch, dass (vor der filmmusikalischen Zugabe – John Barrys Hauptthema von Out of Africa) die „Unvollendete“ das Programm beschließt, Schuberts wohl doch packenste, innovativste Sinfonie. Auch hier hält Mottok – dirigentisch flexibel und musikalisch klug – mit dem Orchester die Musik im Fluss. Da gibt es Raum für wunderschöne Solo-Momente, Kraft für starke Entladung – und immer wieder herrscht atemlose Stille im Saal, wenn die Musik flüstert, singt und stockt.
Eine schöne und richtige Idee war es, auch die beiden früheren Dirigenten des EBG-Orchesters und „ehemalige“ Instrumentalisten einzuladen. So vergrößert sich das Orchester nochmals, wenn Neil Fellows, mit dem wagemutig-wirkungsvoll aufspielenden Ensemble den Jupiter-Satz aus Gustav Holsts Suit Die Planeten ausgesprochen positiv gestimmt und farbkräftig erklingen lässt. Fellows hat die Geschichte des Orchesters von 2005 - 2016 nachhaltig geprägt. Anrührend ist es, wenn danach die Junioren des Podium räumen und viele „Ehemalige“ ein eigenes Orchester bilden, das sich aus der Vergangenheit in die Gegenwart beamt. Mit Hochachtung, ja Liebe hängt es an dem fast 81-jährigen Robert König, der als Dirigent der ersten Stunde 36 Jahre lang Geschicke und Programme dieses Orchesters lenkte. Wagners Rienzi-Ouvertüre beginnt tastend, doch dann werden Spiel und klang immer durchsetzungskräftiger, lebendiger. Möge dieses wunderbar unvollendbare Orchester eine schöne musikalisch-menschliche Zukunft vor sich haben!