2. Sinfoniekonzert | |
Sonntag, 12. Juli 2009 • 17:00 Uhr • Konzertsaal im Schloss | |
E. Chabrier | Marche Joyeuse |
P. I. Tschaikowsky | Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35* |
R. Schumann | Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120 |
* Solovioline: Orlando Fellows |
Kieler Nachrichten vom Dienstag, den 14.07.2009:
Zum Saisonabschluss-Konzert des Kieler Sinfonieorchesters am Ernst-Barlach-Gymnasium
Kiel – Neben den „professionellen“ Philharmonikern laden in Kiel weitere, vorwiegend „junge“ Orchester regelmüßig zu Konzerten ein. Unter ihnen hat das Sinfonieorchester am Ernst-Barlach-Gymnasium eine unverwechselbare Position.
Vergleicht man das Sinfonieorchester am Ernst-Barlach-Gymnasium beispielsweise mit Kiels universitären Orchestern, dann musizieren im Barlach-Orchester (das nicht nur aus Schülern des „musischen“ Ernst-Barlach-Gymnasiums besteht) sicher mehr künftige Profimusiker als in den studentischen Ensembles, deren Musiker gern, aber eben in der Regel nicht beruflich spielen. Das Können des Barlach-Orchesters wurde beim sommerlichen 2. Sinfoniekonzert am Sonntagnachmittag im Kieler Schloss ebenso deutlich wie sein Potenzial. Ein wenig merkte man aber auch die Differenz zwischen beidem.
In Emmanuel Chabriers Marche Joyeuse meisterten die jungen Musiker unter Leitung ihres Chefs Neil Fellows die rhythmischen Klippen sehr beachtlich, während die Klangbalance mehr Feinarbeit zugunsten von Streichern und Holzbläsern vertragen, nein: gefordert hätte.
Orlando Fellows – der 1985 geborene Sohn des Dirigenten, der zur Zeit in Trossingen (und vorher in Berlin) Geige studiert – hat sich enorm weiterentwickelt. Tschaikowskys Violinkonzert ging er beeindruckend an: Mit kernig-flexiblem Ton, berechtigtem Selbstbewusstsein und guten Nerven (als im 1. Satz vorübergehend mal eine entscheidende Bläser-Gegenstimme ausfiel) ritt er das beliebte russische Konzert-Schlachtross, das nach wie vor ein entscheidender geigerischer Prüfstein ist, ohne Abwurf. Für Fellows Gestaltungssensibilität sprachen fein ausgefeilte Übergänge, an denen auch Dirigent und Orchester großen Anteil hatten.
Ein paar kleine Intonationstrübungen fielen weniger ins Gewicht als die Tatsache, dass Fellows im Finale all jene (fremden) Kürzungen anbrachte, die heute zunehmend in Verruf geraten. Gelegentliche orchestrale Wackler – kein Wunder angesichts der vielen rhythmischen Fußfallen von Tschaikowskys Partitur – wurden von Vater, Sohn und dem hoch engagierten Orchester schnell bereinigt. Fazit: junger Geiger auf gutem Weg! Beifall und Blumen waren verdient.
Schumanns Vierte Symphonie spielte das Orchester mit Verve, erstaunlicher Empfindsamkeit und schönen Sololeistungen. Dies war alles in allem die geschlossenste Leistung. Wenn Dirigent Neil Fellows seine „freie“ linke Hand noch mehr und gezielter einsetzen würde, könnte er insbesondere den Violinen, die momentan wieder sehr gut besetzt sind, sicher noch mehr Ausdruckspower und Schattierungsreichtum entlocken. Können und Potenzial des Barlach-Orchesters waren jedenfalls nicht zu überhören und wurden mit Recht gefeiert.
Michael Struck